Exkurs – Der weite Weg der Gewürze
Europa ist eine der weltweit führenden Importregionen für Kräuter und Gewürze. Das ist insbesondere auch für Entwicklungsländer interessant. Der Import von Paprika, Piment, Kurkuma, Zimt, Nelken, Pfeffer, Ingwer, Kurkuma und Knoblauch ist im Jahr 2020 gewachsen. Erklären lässt sich dies mit dem Lifestyle-Trend, Essen nicht nur als Nahrungsaufnahme, sondern als qualitativen Genuss mit Lust auf guten Geschmack zu zelebrieren. Unzählige Köche im Fernsehen und in sozialen Medien vermitteln Kenntnisse zu exotischen Früchten und deren Zubereitung. Doch bis Gewürze unsere Gaumen in Europa erfreuen, sind große Distanzen zu überwinden. Darüber hinaus werden Gewürze verschiedenen verfahrenstechnischen Behandlungen unterzogen: Der genauere Blick auf Transport und Veredelung der Gewürze ist hochspannend.
Allein in Deutschland 50% steigend
In den vergangenen zehn Jahren war der Import von Gewürzen nach Europa zwar schwankend, aber signifikant ansteigend – allein in Deutschland um rund 50 Prozent auf 147.000 t (2020). Immer mehr und auch immer exotischere Gewürze werden hierzulande nachgefragt. Lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Gewürzen 1970 noch bei 115 Gramm, waren es 2002 schon fast 400 und im Jahr 2020 gar 600 Gramm pro Bundesbürger.
Nicht zuletzt hat die Coronakrise den Bedarf an Gewürzen zusätzlich stimuliert. In einer Umfrage von 2020 gaben 30 Prozent der Befragten an, dass sie aktuell häufiger selbst zubereitete Speisen verzehren als vor der Krise.
Rund 35 Prozent der Gewürze werden in Privathaushalten verbraucht, 65 Prozent werden von Lebensmittelindustrie und -gewerbe verarbeitet. Auch die Nahrungsmittelhersteller haben den Wunsch der Kunden nach mehr Geschmacksvielfalt aufgegriffen. Vor allem bei Snacks wie Chips, Cerealien und Nüssen gibt es unterschiedliche Würzungen. Metzgereien verwenden neben Streugewürzen auch Gewürzmarinaden und neuerdings auch Rubs in vielen Geschmacksrichtungen.
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Beispiele für Trends in der Gewürzwelt
In den Jahren bis etwa 2010 definierten italienische Küchenkräuter und Standard-Currymischungen den Gipfel der Exotik in deutschen Küchen. Dann aber wechseln sich die Trends immer schneller ab. Starke Impulse kommen aus den Ländern Syrien, Libanon, Jordanien, Israel und Palästina (Levante). Kochsendungen im Fernsehen überbieten sich gegenseitig. Wer hatte vor zehn Jahren schon von Gewürzen wie Sumach und Kreuzkümmel und Mischungen wie Zaatar und Baharat gehört, die heute in den Gewürzregalen der Discounter stehen? Sie kommen aus dem Nahen Osten und wurden unter anderem durch die Kochbücher des israelischen Kochs Yotam Ottolenghi populär. Viele seiner Rezepte wurden in renommierten Zeitschriften veröffentlicht.
Rubs, also Gewürzmischungen zum trockenen Marinieren von Grillfleisch, wurden aus den USA nach Europa importiert. Dort verleihen BBQ-Rubs dem Grillfleisch schon länger eine köstliche Kruste und ein leckeres Aroma. Besonders der populäre Magic Dust Rub verbreitet seinen Duft nun auch auf vielen europäischen Barbecue Partys. Online findet man Rezepte und Gewürzmischungen passend für den Hausgebrauch. Doch Convenience überzeugt viele Verbraucher und so bieten Gewürzhändler derlei Rubs auch gebrauchsfertig an.
Kurkuma – das Gewürz, das dem Curry die typisch gelbe Farbe verleiht – hat in den letzten Jahren einen Hype als gesundes Superfood ausgelöst. Es ist Bestandteil der traditionellen indischen Heilkunst Ayurveda und gilt als appetitanregend, antibakteriell, wundheilend und blutfettsenkend. Kurkuma Latte – ein ayurvedischer Heiltrank, der auch Golden Milk genannt wird – enthält neben Kurkuma und Kokosöl auch warme Pflanzenmilch. Er gilt in Europa unter gesundheitsbewussten Verbrauchern als Geheimtipp.
Viele Vegetarier mögen Räucherpaprika, möglicherweise, weil er pflanzlichen Gerichten ein fleischwürziges Räucheraroma verleiht. Diese Auflistung an Beispielen ließe sich immer weiter fortsetzen. Für jeden neuen Ernährungstrend lassen sich bestimmte Gewürze clustern.
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Wachstumsmarkt sorgt für viel Kreativität
Einen starken Schub hat der Gewürzmarkt aber auch von neuen Playern erhalten, die solche Trends pushen und auch selbst setzen. Start-Ups füllen mittlerweile Regalmeter in den großen Supermarktketten. Sie haben mittels Image-Marketing profane Gewürzartikel so aufgewertet, dass sie zu Trendprodukten mit Lifestyle Charakter geworden sind. Dem Verbraucher wird das Gefühl von Naturbelassenheit, Genuss, Gesundheit und Vielfalt vermittelt. Auffällige Verpackungen suggerieren diese Botschaften.
Die Gewürzmischungen haben heute zu Marketingzwecken fantasievolle Handelsnamen, die keinen Rückschluss auf die Zusammensetzung der Mischung mehr zulassen. Zu jeder Speise ist heute die geeignete Mischung zu erwerben, ganz gleich ob Patatas Bravas, Stollen, Köttbullar oder Jamaica Jerk Chicken. Und laufend kommen die Gewürzproduzenten mit Neukreationen auf den Markt.
„Clean“ und „green“ würzen
Die Neuankömmlinge haben zudem den Trend hin zu gesunden Lebensmitteln genutzt. Unter dem Clean Label bieten sie ihre Gewürze ohne Geschmacksverstärker, ohne künstliche Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe, ohne Rieselhilfe, ohne Gentechnik und ohne gehärtete Fette an. Die traditionellen Gewürzhersteller ziehen erfolgreich nach. Manche werben mit Attributen wie vegan, vegetarisch, lactosefrei, glutenfrei, koscher, halal. So verwenden die Marktführer bei einem Großteil ihrer Marken nur noch natürliche Zutaten ohne Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe und Palmöl. Für Fleischwaren- und Fischproduktehersteller gibt es eine Vielzahl von spezifischen Gewürzmischungen, Marinaden, Würz-Panaden, Pasten, Saucen etc. Für Bäckereien, Chips- und Nachos-Fabriken gibt es beispielsweise spezielle Seasonings, die besonders backstabil sind. Sie veredeln Snacks, Kartoffel-Chips, Weizen- und Mais-Tortillas sowie gebackene Coatings und weisen einen geringen Fettgehalt auf.
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Marktanteile der Gewürze heute
Das mit Abstand gefragteste Gewürz in Europa ist der Pfeffer. Er hatte im Jahr 2020 einen mengenmäßigen Anteil an den Gewürzimporten von etwa knapp über einem Fünftel. Vietnam ist der Hauptlieferant von Pfeffer in Europa, gefolgt von Brasilien, Indonesien und Indien. Danach folgt Ingwer mit 19 Prozent. Ingwer allerdings wird im Gegensatz zu allen anderen Gewürzen im ungetrockneten Zustand importiert. Weiterhin bedeutend sind Paprika mit einem Anteil von 12,1 Prozent, die Gewürze Kümmel, Sternanis, Anis, Wacholder und Fenchelfrüchte zusammengefasst mit 8 Prozent, Koriander mit 4,1 Prozent und Zimt mit 3,2 Prozent. Alle anderen Gewürze kommen zusammen auf 32,2 Prozent.
Tabelle 4: Importe einzelner Gewürze nach Deutschland in Tonnen [1]
2015 | 2020 | Wachstum | ||
Pfeffer | 26.377 | 29.807 | +13% | |
Ingwer | 14.061 | 27.968 | +98% | |
Paprika | 13.294 | 17.796 | +34% | |
Kümmel, Sternanis, Anis, Wacholder, Fenchelfrüchte | 10.275 | 11.771 | +15% | |
Koriander | 4.066 | 6.027 | +48% | |
Zimt | 3.824 | 4.770 | +25% | |
Muskat | 1.379 | 1.652 | +20% | |
Nelken | 1.011 | 1.152 | +14% | |
Kardamom | 554 | 941 | +70% | |
Macis | 372 | 420 | +13% | |
Sonstige | 31.762 | 44.559 | +40% | |
Gesamt | 106.973 | 146.867 | +37% |
[1] Fachverband der Gewürzindustrie, Marktentwicklung der Gewürzindustrie 2020
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